Julia Wedekind

Psychologin und Systemische Beraterin

Kontakt:

Julia Wedekind
mail@julia-wedekind.de
Tel.: 0176 709 633 96

Top

Der innere Kritiker: Wie Sie Ihre strengste Stimme in einen wertvollen Verbündeten verwandeln können

Julia Wedekind / Allgemein  / Der innere Kritiker: Wie Sie Ihre strengste Stimme in einen wertvollen Verbündeten verwandeln können

Der innere Kritiker: Wie Sie Ihre strengste Stimme in einen wertvollen Verbündeten verwandeln können

Der innere Kritiker – wir alle kennen ihn auf die eine oder andere Weise. Es ist die Stimme in uns, die uns kritisiert, kleinredet oder mit perfektionistischen Anforderungen überhäuft. Vielleicht haben Sie schon einmal Sätze wie diese gehört:

  • „Das schaffst du sowieso nicht.“
  • „Andere sind viel besser als du.“
  • „Das muss perfekt sein, sonst bist du nicht gut genug.“

Manchmal erscheint diese Stimme übermächtig und lähmt uns, anstatt uns voranzubringen. Doch was wäre, wenn wir diesen inneren Kritiker aus einer neuen Perspektive betrachten könnten?


Der innere Kritiker: Ein Teil von uns mit positiven Absichten

Die systemische Grundhaltung lehrt uns, dass jeder innere Anteil – auch der, der uns unangenehm ist – eine Funktion erfüllt. Der innere Kritiker ist keine Ausnahme. Auch er möchte uns in irgendeiner Weise schützen oder unterstützen. Vielleicht will er uns vor Enttäuschungen bewahren, verhindern, dass wir Risiken eingehen, oder dafür sorgen, dass wir Anerkennung erhalten.

Doch die Art und Weise, wie der innere Kritiker versucht, uns zu helfen, hat oft einen hohen Preis. Seine Botschaften können schmerzhaft, überwältigend und blockierend sein. Umso wichtiger ist es, die Beziehung zu diesem Teil in uns zu wandeln.


Schritt 1: In den Dialog treten

Eine Möglichkeit, mit dem inneren Kritiker zu arbeiten, ist ein innerer Dialog. Das funktioniert besonders gut, wenn Sie ihn in einer konkreten Situation beobachten.

  1. Hören Sie genau hin: Welche Sätze tauchen immer wieder auf? Schreiben Sie sie auf.
    • Beispiel: „Du bist nicht gut genug.“
  2. Fragen Sie nach: Welche Absicht könnte hinter diesen Aussagen stecken? Was will dieser innere Anteil für Sie erreichen?
    • Mögliche Antwort: „Ich will dich davor bewahren, abgelehnt zu werden.“
  3. Reflektieren Sie gemeinsam: Fragen Sie sich, ob es andere, weniger verletzende Wege gibt, diese Absicht zu erreichen.

Falls es Ihnen schwerfällt, die positiven Absichten hinter den Kritikersätzen zu erkennen, kann ein Gespräch mit einer unbeteiligten Person wie einem Freund, Coach oder Therapeuten helfen. Oft ist es leichter, von außen auf diese Muster zu blicken.


Schritt 2: Den inneren Kritiker liebevoll annehmen


„Alle unsere Teile haben Energie, und sie sind potentielle Unruhestifter, bis wir sie verstehen, uns ihrer annehmen und sie transformieren. Dann werden sie zu Bestandteilen unserer inneren Ressourcen.“

Virginia Satir

Annehmen bedeutet nicht, alles ungefiltert zu akzeptieren, was der innere Kritiker sagt. Es bedeutet, ihn als Teil von sich selbst zu erkennen und zu verstehen, was er für Sie tun möchte. Diese liebevolle Zuwendung kann den Kritiker beruhigen und transformieren, sodass er auf konstruktivere Weise aktiv wird.


Schritt 3: Imagination: Der innere Kritiker bekommt einen neuen Platz

Eine sehr wirkungsvolle Methode im Umgang mit dem inneren Kritiker ist es, ihn sich räumlich vorzustellen.

  • Visualisieren Sie Ihren Kritiker: Welche Form nimmt er an? Ist er ein Mensch, ein Tier oder ein Fantasiewesen?
  • Stellen Sie seine Position dar: Wo steht er in Ihrem inneren Raum? Ist er zu nah? Sitzt er Ihnen im Nacken?
  • Gestalten Sie das Bild um:
    • Was könnte helfen, mehr Distanz zu schaffen?
    • Würde eine Glasscheibe zwischen Ihnen den Druck mindern?
    • Könnte ein anderer innerer Anteil hinzukommen, um Sie zu stärken?

Experimentieren Sie mit diesen inneren Bildern. Der Prozess ist oft überraschend und kann eine spürbare Erleichterung bringen.


Schritt 4: Kreativer Ausdruck

Manchmal fällt es schwer, die Gedanken des inneren Kritikers nur in Worten oder inneren Bildern zu verarbeiten. Hier können kreative Methoden helfen:

  • Malen Sie Ihren inneren Kritiker: Geben Sie ihm eine Form, Farbe und Gestalt.
  • Verändern Sie das Bild: Was würde ihn weniger bedrohlich wirken lassen? Vielleicht kleinere Augen, ein freundlicherer Ausdruck oder eine witzige Mütze?

Kreativer Ausdruck ermöglicht es, die emotionale Distanz zu schaffen, die notwendig ist, um mit diesem Anteil anders umzugehen.


Der innere Kritiker als Ressource

Wenn der innere Kritiker nicht mehr lähmt, sondern in Balance mit anderen inneren Anteilen steht, kann er wertvolle Hinweise geben. Zum Beispiel kann er uns helfen, Risiken zu bewerten, wichtige Details zu beachten oder bessere Entscheidungen zu treffen.

Die Arbeit mit dem inneren Kritiker ist ein Prozess, der Zeit und Geduld braucht. Doch jeder Schritt hin zu einer liebevolleren Beziehung mit diesem Teil in uns stärkt unsere innere Balance und ermöglicht es uns, freier und erfüllter zu leben. Mehr zum Thema Innenschau und Selbstfreundlichkeit finden Sie in folgendem Artikel.


Fazit: Potenzial hinter der Kritik entdecken

Der innere Kritiker ist kein Feind, sondern ein Teil von uns, der auf seine Art unser Bestes möchte. Wenn wir ihn besser verstehen, können wir seine Energie in eine konstruktive Richtung lenken. Das ist keine Aufgabe, die man über Nacht bewältigt, sondern ein Weg, der viel über uns selbst offenbart. Und genau darin liegt das Potenzial – im liebevollen Umgang mit all unseren inneren Anteilen.

Julia Wedekind
Julia Wedekind

Psychologin und Systemische Beraterin